Letzte Aktualisierung: 2007-04-11

50 Jahre Göttinger Erklärung
– 50 Jahre Selbstbetrug

Von der Atombombe zur Göttinger Erklärung und zurück

Was war die Göttinger Erklärung?

Kurz nach der formellen Neugründung der Bundesrepublik war Mitte der 1950er Jahre, nur 10 Jahre nach dem Ende des Faschismus, die Wiederbewaffnung wieder in vollem Gange. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer und sein Kriegsminister Franz-Josef Strauß forderten die Ausstattung der deutschen Soldaten mit Atombomben. Dagegen richteten sich am 12. April 1957 Atomwissenschaftler um den Göttinger Ehrenbürger und Nobelpreisträger Otto Hahn in führenden Positionen in einem öffentlichen Appell, der „Göttinger Erklärung”. Darin traten sie gegen Atomwaffen in Deutschland ein und kündigten an, keinesfalls selbst an deren Entwicklung mitzuwirken. Andererseits forderten sie aber auch, die „friedliche Verwendung der Atomenergie mit allen Mitteln zu fördern” und versprachen, „an dieser Aufgabe wie bisher mitwirken” zu wollen.

Dieser Appell, in dem Nicht-Politiker die Außen- und Verteidigungspolitik der Regierung offen kritisierten und mit Arbeitsverweigerung drohten, war etwas vollkommen Neues und sorgte für große Aufregung in Politik und Presselandschaft.

Untrennbarkeit von ziviler und militärischer Nutzung

Aus heutiger Sicht waren die Unterzeichner in ihren Forderungen aber viel zu zaghaft und saßen außerdem einem fatalen Trugschluss auf. Denn abgelehnt wurde nur die Beteiligung Deutschlands am atomaren Wettrüsten und auch nur diese militärische Ausrichtung von Atomforschung. Dabei hätten ihre eigenen Biografien sie lehren können, dass eine Trennung von „ziviler” und „militärischer” Atomtechnik im Prinzip unmöglich ist: Ein Großteil der 18 Wissenschaftler war schon unter Hitler an Atomprojekten beteiligt, unter anderem im „Uranverein”. Auch wenn sich die Wissenschaftler bei ihren Kernspaltungsexperimenten während des Zweiten Weltkriegs als unpolitische Grundlagenforscher sahen, so war doch allen klar, dass ihr Auftrag darin lag, letztendlich eine deutsche Atombombe zu entwickeln.

Am deutlichsten wird die Untrennbarkeit von „ziviler” und „militärischer” Nutzung bei Wiederaufarbeitungs- und Urananreicherunsanlagen. Diese können leicht zur Herstellung atomwaffenfähigen Materials umgerüstet werden. Angereichertes Uran und Plutonium werden für den Bau von Atombomben benötigt. Das gleichzeitig abgereicherte Uran findet Verwendung in der Uranmunition, deren panzerbrechende Wirkung z.B. im Kosovo-Krieg geschätzt wurde. Zu Recht gibt es aktuell internationale Bedenken, wenn der „Schurkenstaat” Iran auf eigenen Urananreicherunsanlagen beharrt. Weniger beachtet von der Weltöffentlichkeit wird dagegen die Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau, die seit 1985 in Betrieb ist und in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden soll.

Persilschein für Kerntechnik

Vielleicht war es bei den Physikern um Hahn mehr als nur „Selbstbetrug”, als sie vorgaben, Atomwaffenforschung strikt abzulehnen. Vielmehr war und ist die Göttinger Erklärung dazu geeignet, die Kittel aller Atomwissenschaftler weiß zu waschen und das Thema Atomenergie von allen negativen Assoziationen zu säubern.

Die Kritik an der militärischen Nutzbarkeit von Atomtechnologie bedeutet nicht, dass rein zivile Nutzung harmlos wäre. Die verheerenden Schäden für Mensch und Natur schon beim Uranabbau, die unvermeidbare Strahlungsbelastung im Normalbetrieb eines AKWs und die ständige Gefahr eines GAUs, die nicht ungefährlichen und rücksichtslos durchgeführten Atommülltransporte und vor allem das unlösbare Problem der dauerhaft sicheren Einlagerung machen Atomtechnologie zu einer nicht vertretbaren Bedrohung. Bestes Beispiel hierfür ist das volllaufende Endlager Asse II.

Darum kann die Forderung nur lauten:
Keine Atomwaffen, keine Atomenergie, nicht in Deutschland und nirgendwo!