Letzte Aktualisierung: 2012

Erfahrungsbericht vom Amtsgericht Potsdam

Bei den aktuell laufenden Prozessen wegen der Menschenblockade bei Altmorschen (Castor 2010) ist vieles deutlich geworden, was auch bei zukünftiger Prozessführung weiterhilft:

Zunächst war ca. 26 Leuten (aus Göttingen, Kassel und Süddeutschland), die in einen Polizeikessel geraten waren, ein Bußgeld von 100 Euro (wegen Aufenthalt im Gleisbereich u.a.)auferlegt worden. Nachdem die meisten dagegen Einspruch eingelegt hatten, drohte ihnen eine Vorladung vor das Amtsgericht Potsdam. Mit einer angebotenen Reduzierung auf nun 40 Euro als Köder sollte vom Gang vors Gericht abgehalten werden.. Manche ließen sich darauf ein, um sich die stressige Fahrt nach Potsdam zu ersparen, zumal die Richterinnen immer zwei Verhandlungstermine ansetzen wollten: einen Termin ohne Belastungszeugen, um abzuchecken, ob die Angeklagten nicht noch in letzter Sekunde einknicken und einen zweiten Termin mit einem Polizeikameramann als Zeugen (das bedeutet 2x Stress, 2x Gerichtskosten und Anfahrtkosten des Zeugen). Trotzdem sind die meisten Leute gewillt, die Prozesse durchzuziehen. Am 21. März 2012 kam es nun für zwei Angeklagte zum ersten Termin mit dem Belastungszeugen. Dieser war sich sicher, eine der beiden Personen durch seine grellgrüne Jacke und langen Haare auf einem Blockadevideo und später auf einem zweiten Video bei der Persolalienabgabe in einem Polizeikessel widererkannt zu haben, die zweite angeklagte Person sei aber nicht eine der 7 Personen auf dem Blockadevideo.. Somit gab es an diesem Verhandlungstag eine Verurteilung zu 40 Euro und einen glatten Freispruch. Darauf, dass der Verurteilte in einer politischen Stellungnahme auf ein grundsätzliches Recht auf Widerstand gegen die Atommülltransporte plädierte, wollte die Richterin erwartungsgemäß nicht eingehen, da sie "ohne Ansehung der politischen Überzeugung" zu urteilen habe. Interessant ist aber ihr Kommentar zum Freispruch der anderen Person. Die Bundespolizei hätte nicht gut ermittelt und das Verfahren voreilig ans Gericht übergeben. Dies beträfe dann ja auch noch andere Personen.

Wahrhaftig hat das Amtsgericht Potsdam inzwischen alle weiteren schon anberaumten Termine vorläufig abgesagt und die Akten sämtlicher noch offener Verfahren zur Stellungnahme an die Bundespolizei zurückgeschickt. Schließlich wären maximal 6 Personen zu verurteilen, wenn sie denn zu identifizieren sind. Offensichtlich sind die beiden Richterinnen in Potsdam stinksauer. Sie wissen, dass alle noch Betroffenen sich nicht einschüchtern lassen, die Prozesse durchziehen wollen aber eisern schweigen werden und dass jedesmal ein hartnäckiger Anwalt anwesend sein wird. Der Verwaltungsaufwand steht in keinem Verhältnis zum läppischen Streitwert. Die Zermürbungstaktik ist also zunächst aufgegangen. Jetzt wird das Amtsgericht dafür sorgen, dass auch der Verwaltungsapparat der Bundespolizei auf Hochtouren läuft.

(Stand: Mai 2012)